Sabine Wally, Rückkehrerin
Stellen Sie sich bitte kurz vor:
Mein Name ist Sabine Wally, ich werde 53 Jahre und arbeite seit reichlich einem Jahr in der Stadtbibliothek Guben. Meine vorherige Tätigkeit in der Häuslichen Krankenpflege, nach meiner Rückkehr nach Guben, war anspruchsvoll und schön. Aber es macht mich sehr glücklich, doch nochmal die Chance bekommen zu haben, endlich in dem Beruf tätig zu sein, den ich vor 30 Jahren aus wirklicher Herzensgesinnung gewählt habe: Bibliothekarin.
Warum sind Sie zurückgekommen?
Fast 10 Jahre ist es her, dass ich nach Guben zurückgekehrt bin. Der Grund war meine kranke Mutti. Guben ist natürlich nicht mehr der Ort, an dem ich aufgewachsen bin und den ich verlassen habe. Dem Sterben dieser Stadt zuzusehen, auch dem Verschwinden von Gebäuden und Wertvorstellungen, die in der eigenen Vergangenheit einmal von Bedeutung waren und unsere Ostidentität geprägt haben, das betrübt mich manchmal sehr.
Wo haben Sie vorher gewohnt?
Nach der Wende war ich unter anderem in Ahrenshoop, in Leipzig für ein paar Jahre, fast 10 Jahre in York in England und bevor ich hier her zurückkam noch ein und ein halbes Jahr mit meinem damals 7 Jährigen Sohn unterwegs in verschiedenen, bewusst nicht von westlichen Werten geprägten Ländern, um dort Menschen und Kulturen kennenzulernen, Freundschaften zu schließen und zu volontieren. Im Prinzip sind wir direkt von Mittelamerika im Sommer 2011 nach Guben gekommen. Zurück bleiben wunderbare Erinnerungen und Erfahrungen, die mir Gelassenheit und Zuversicht in eine Zukunft mit möglichen Alternativen geben, aber auch immer mal wieder das Weh nach der Ferne und die Sehnsucht nach England. Ich liebe die Mentalität der Engländer, dieses Überschwängliche in der Sprache, diese typisch englische Höflichkeit, den Humor, ihr solidarisches Wesen und den Fakt, dass im englischen ja sowieso nicht zwischen Du und Sie unterschieden wird. Das erleichtert nicht nur das Miteinander ungemein, sondern untergräbt von Vornherein auch gewisse Hierarchien.
Was gefällt Ihnen besonders an Guben?
Das sind die vielen wundervollen Menschen in Guben, die seit meiner Rückkehr zu Freunden und Bekannten geworden und mir ans Herz gewachsen sind und all die aufrichtigen, aufmerksamen und unverzagten lokalen Akteure, die täglich ihren kleinen Anteil leisten, die Gemeinschaft und das Leben vor Ort zu bereichern. Natürlich ist es auch die Umgebung, unsere Radwege, die Landschaft, Kindheitserinnerungen aus der Zeit als die Stadt noch Wilhelm-Pieck-Stadt Guben hieß und der Umstand dass das Plastinarium hier angesiedelt ist.
Welche Lieblingsplätze haben Sie in Guben?
Entlang der Neiße gibt es viele wunderschöne Stellen. Die alte Eisenbahnbrücke zum Beispiel oder die Stelle an der zerstörten Brücke bei der alten Fischfabrik. Ich verbringe dort oft meine Mittagspause.
Welche Lieblingsplätze haben Sie im Gubener Umland?
Deulowitz, wo ich wohne. Viele der hier ansässigen Familien prägen das Bild einer wundervollen Dorfgemeinschaft. Man geht auf die Straße und fühlt sich wie in einer großen Familie.
Was würden Sie sich für Guben und das Umland wünschen?
Dass alle mitmachen, unserer Stadt neues Leben einzuhauchen. Guben als kooperative Kleinstadt mit gemeinschaftlich erarbeiteten Zukunftsvisionen und mutigen Alternativen. Es gibt immer mehr Menschen auch in Guben und Gubener Umland, die sich aufmachen, Probleme selbst zu lösen. Dazu beschreiten sie neue Wege und suchen nach Verbündeten, um ihre Ideen zu verwirklichen. Umso mehr Menschen das erkennen, dass wir den Wandel selbst gestalten können und müssen, anfangen eigene Visionen zu entwickeln, Mut zu innovativen Ideen haben, umso mehr haben wir die Chance, Dinge die uns am Herzen liegen, zu bewahren bzw. wieder neu zu errichten. Ich wünsche mir Kommunalpolitiker, die bereit sind, mit Offenheit und auf Augenhöhe, vertrauensstiftend zu agieren und die erkennen, dass das größte Potential der Stadt in ihren jetzigen und zukünftigen Bewohnern liegt. Ich wünsche mir junge Leute, Kinder und Jugendliche im Focus zukünftiger Entscheidungen und vor allem deren aktive Einbindung, wenn es darum geht, Guben zu ihrem Heimatort zu machen.
Ich bin mir sicher, es gibt so viel mehr Gubener, die sich engagieren fernab von Karriere- und Profitinteressen, Arroganz und Geltungsdrang, kreative Köpfe, Macher und Helfer, die bescheiden im Hintergrund agieren. Mein Wunsch ist es, das all diese Kräfte zueinander finden, sich vernetzen, sich gegenseitig zuhören und bestärken und sich gemeinsam eine Zukunft vor Ort erstreiten, in die sich jeder auch gern einbringt. Dinge zu ermöglichen, die wir bis jetzt für unmöglich gehalten haben. Das wär`s.
